[Antijüdische Stimmungen] [Recht des 19. Jahrhunderts] [Juden an Rhein & Sieg]  [Synagogengemeinde]

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per (?) 3/3 65 N. 245

Euer Wohlgeboren erlaube ich mir nachstehendes
Bittgesuch ganz ergebenst vorzutragen.
Wie bekannt hat die hiesige israelitische Synagogen-
Gemeinde durch den Neubau eines Gotteshauses, sowie
durch die sonstigen Gemeindebedürfnisse, viele
Zahlungen zu leisten. Da die hiesige Gemeinde keine
Revenüen etc.etc.. zu beziehen hat, so müßten die
alljährlich zu machenden Ausgaben auf Grund des § 8,
der unterm 25 August 1865 von Herrn Ober-Präsi-
denten der Rheinprovinz bestätigten Statuten
für die Synagogen des Siegkreises, auf die Mitglieder
der Gemeinde nach Verhältniß ihrer Klassen, resp.
Einkommensteuer vertheilt werden. Diese vorgeschrie-
bene Vertheilung findet aber in unserer Gemeinde
biß jetzt nicht statt, sondern die Bedürfnisse
werden von unserem Repräsentanten Herrn
Cahn willkürlich nach seinem Gutdünken auf die
Mitglieder umgelegt.
Gegen diesen Verteilungs-Mutus habe ich wiederholt
protestiert, da dieses aber nichts half, so habe ich keine Zah-
lung mehr geleistet. Unterm Januar curr. richtete
ich dieserhalb das in Abschrift beigefügte Schreiben an
den Vorstand der Synagogen-Gemeinden, worauf
mir jedoch nicht einmal eine Antwort zu Theil
geworden ist.
Statt nun eine gesetzliche Umlage der nöthigen
Augaben herbeizuführen, weigert man mir - wie
die ebenfalls in Abschrift beigelegten Schreiben
des hiesigen Repräsentanten und des Synagogen-Vor-
standes besagen - den seit langer Zeit von mir einge-
nommenen Kirchenplatz ferner zu benutzen,
indem man sagt "ich hatte diesen Sitz nicht
gepachtet". In unserer Synagoge hat aber kein
Mensch einen Sitz gepachtet, sondern der Reprä-
sentant Cahn nennt die Bezahlung(,) der von
ihm den Mitgliedern einseitig zur Last
gesetzten Beiträge(,) mit dem Namen. Ich
allein habe nun (?) seit dem 14.Februar c. keinen Sitz
mehr in der von mir mitbezahlten Synagoge.
Da ich als Mitglied der hiesigen Gemeinde dasselbe
Recht für mich, wie für alle Anderen in
Anspruch nehme, auch bereit bin die auf
mich fallenden jährlichen Abgaben zu bezahlen,
wenn solche in vorgeschriebener Weise
vertheilt werden - so muß ich Euer
Wohlgeboren ganz ergebenst bitten,
gefälligst dahin wirken zu wollen,
daß diese Angelegenheit recht bald in [der
Weise geordnet werden wonach
jedem Mitgliede(r) sein Recht zu Theil
wird.
Dises entgegenharrend zeichnet
hochachtungsvoll
Mondorf den 27ten Februar 1865
Wolff Levi
 
An
den Bürgermeister
Herrn Commer
Wohlgeboren
in
Rheidt

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"Gewalt beendet keine Geschichte"
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