[Antijüdische Stimmungen] [Recht des 19. Jahrhunderts] [Juden an Rhein & Sieg]  [Synagogengemeinde]

Blatt 63




Synagogen-Ordnung für Mondorf.
vom 8.Januar 1865

1. Jeder hat still und geräuschlos in die Synagoge ein-
zutreten, sich ebenso ruhig gleich auf seinen Platz
zu begeben, welchen er vor Beendigung des Gottesdienstes
respective vor dem Oleine Gebete nicht unnöthiger Weise
verlassen darf. Das Aufhalten in der Synagogenvorhalle oder
auf dem Synagogenhofe ist während des ganzen Gottes-
dienstes untersagt.

2. die Synagogensitze werden auf folgende Weise be-
nutzt. Sämmtliche Mitglieder der Special Synagogen-
Gemeinde Mondorf, welche sich in demVertrage
vom 28. Februar 1864 der Gemeinde gegenüber zu ein-
em jährlichen Beitrage zum Zwecke der Schuldentil-
gung verpflichtet haben und diesen ihren Verpflicht-
ungen fortwährend nachgekommen sind, erhalten von
dem Repräsentanten zu Mondorf einen Synagogen-
sitz jedesmal auf ein Jahr von Cischri an zur
unentgeldlichen pachtweisen Benutzung für sich
und ihre noch nicht 18 Jahre alten Söhne angewiesen,
und zwar in der Reihenfolge nach dem Alter der Per-
sonen und wird die jährliche Zahlung auf Grund
gedachten Vertrages vom 28 Februar 1864 als jähr-
liche Pacht für den Synagogensitz betrachtet.
Die noch übrig bleibenden Sitze kann der
Vorstand an den sich Meldenden zu dem von dem
Repräsentanten Collegium festzusetzenden jährlichen
Pachtpreise jedesmal auf ein Jahr verpachten. Der
Repräsentant der Gemeinde Mondorf kann ein-
zelne nicht verpachtete Sitze zur Benutzung für
Knaben (von Gemeindegliedern) unter 18 Jahren
verwenden.

3. In den Sitzen hat außer den Obenangegebenen
Pächtern und deren nicht 18 Jahre alten Söhnen
Niemand Zutritt. Fremde, welche sich keine sechs
Wochen in der Special Synagogen Gemeinde Mondorf
aufhalten, machen hiervon eine Ausnahme.

4. Jedes Plaudern wenn auch noch so leise, das
laute Beten, das Mitsingen, das Entfernen von
seinem Platze, wenn ihn nicht eine Function dazu
nöthigt, das unanständige Herumdrehen so wie jedes
unanständige Benehmen ist auf das Strengste un-
tersagt.

5. Kinder, welche noch nicht fünf Jahre alt sind, dürfen
bei dem Gottesdienste nicht erscheinen. Eine Ausnahme
hiervon macht das Kind, das zur Beschneidung oder zum
Mappoh (Winipel) Bringen hingebracht wird.

6. Ebenso darf am 9 Aaf und am Versöhnungstage keiner
die Schuhe im Gotteshause in den Händen mit-
bringen oder gar in der Synagoge ausziehen. Das-
selbe gilt für die Kohnim an den Feiertagen
zum Duchangebet.

7. Nach dem Anlegen der Cephelin muß Jeder seinen
Rock wieder vollständig anziehen und kann es
unter keinen Umständen gestattet werden,
mit entblößtem Ärmel in der Synagoge zu
verweilen.

8. Bei dem Morgen Gottesdienste am Sabbat oder an
Festtagen soll kein Großjähriger ohne Hutbe-
deckung zur Thora aufgerufen oder zu einer Function
zugelassen werden. Trifft Jemand die Reihe, [der
ohne Hutbedeckung in die Synagoge getreten ist,
so soll er vom Gemeindediener ohne Weiteres über-
gangen werden. Fremde machen hiervon eine Aus-
nahme.
Derjenige, welcher die Synagoge mit bunten Pan-
toffeln betritt, darf zu keiner Thora Functionen zu-
gelassen werden.

9. Das Segan und die übrigen Thora Functionen sol-
len für jeden Sabbat und Festtag(en) und die darauf
folgenden Wochentage an diejenigen, welche nach
§ 2 einen Pachtsitz benutzen der Reihe nach am
Ältesten anfangend vergeben werden. Der Re-
präsentant von Mondorf oder dessen Stellvertreter
hat über die Reihenfolge eine Liste zu führen
und der Gemeindediener zeigt durch Austheilen von Billets
an, wen die Reihe getroffen. Will Jemand mit
mit seinem Billette einen anderen beehren so kann
er dies dem Gemeindediener leise bemerken.

10. Es steht jedem Mitgliede der Special Synagogen-Ge-
meinde Mondorf frei auch wenn er nicht an der Reihe
ist, eine Function für sich oder zum Verschenken zu
nehmen, wofür er einen Beitrag zur Gemeindecassa
nach einer von dem Vorstande und den Repräsen-
tanten festzusetzenden Tarife zu bezahlen hat.
Jedoch können nur solche mindestens 18 Jahre alte Ge-
meindegleider, welche nach § 2 einen Sitz auf ein
Jahr gepachtet, während dieses Pachtjahres Samstag
und Feiertag Morgens das Segan stehen und am
Sabbat Morgen zu den sechs zuerst zur Thora Gerufe-
nen und am Feiertag Morgens zu den 5 zuerst zur
Thora Gerufenen aufgerufen werden.

11. Wenn der, an den die Reihe zum Segan ist, nicht
in der Synagoge ist, so vertritt dessen Stelle der
Kolwechol resp. der Schiche und auch in dessen
Abwesenheit der Repräsentant oder dessen Stellver-
treter.

12. Das Versteigern der Mitzwas ist untersagt. Eine
Ausnahme hiervon macht das an Schmini-Azares
nach Beendigung des Gottesdienstes Statt findende
Versteigern einiger Functionen für Simches Caure
so wie das Kolwechol(?) am Hakol Jouducho.

13. Außer der Reihenfolge werden zur Thora aufge-
rufen (Chijuwim)
a. der Rabbiner an den Tagen, an welchen er pre-
digt, dann zur Haftauro Janno (?) am Sabbat Chasonn
und Sabbat Schuwo,
b. der Bräutigam am Sabbat nach der Verlobung und
an den Sabbaten vor und nach der religiösen Trauung,
c. der Jahrzeit Habende,
d. der Mann, dessen Frau zum Erstenmal nach dem
Wochenbett wieder das Gotteshaus besucht,
e. der Baumitzwoknabe,
f. Bei Beschneidungen: der Gevatter, der Beschneider und
der Vater des Kindes. Letzterer hat aber in allen
Collisionsfällen jedem anderen Berechttigten nachzu-
nachzustehen.
g. Wer unentgeldlich an höheren Feiertagen den
Vorsängerdienst versieht und der Schauforbläser,
h. Wer zur Cauchucho (?) aufgerufen wird am 1. Tag des
Wochenfestes und am Bußsabbat aufgerufen <wird>.
i.Chason Tauno (?) und Kreischiss (?) erhalten am Simichos (?)
Conno (?) der eine Hagbacha (?) und der Andere Gelile.
 
14. Das Vorsänger Amt darf von Niemandem versehen
werden, der nicht vom Vorstande hierzu die aus-
drückliche Erlaubniß erhalten hat. Ebenso ist zur
Übernahme des Amtes als Baal Kauzech (?), Baal
tankea
und zum Abhalten von Predigten die Er-
laubniß des Vorstandes nothwendig.
 
15. Diejenigen, welche freiwillig zu wohlthätigen
oder gemeinnützigen Zwecken bei den Mische
beirach
Spenden versprochen oder Mitzwas ge-
kauft und nach dreimaliger Mahnung keine
Zahlung geleistet haben, kann vom Vorstande
das Recht entzogen werden ferner zur Thora
aufgerufen zu werden und eine Thora Function
zu übernehmen und zwar so lange, bis sie
Zahlung geleistet.
 
16. Trauungen in der Synagoge dürfen nur von solchen
Personen vorgenommen werden, die im Besitze
einer Hatoroth Haurooh oder von einem
mit einer von einem Rabbiner für jeden ein-
zelnen Fall ausgestellten Vollmacht versehenen
Laien.
 
17. Die Überwachung und Handhabung der Ordnung
der Synagoge steht den Repräsentanten respective
dessen Stellvertreter zu und sind dieselben ver-
pflichtet alle gesetzlichen Mittel zur Verhütung
von Zuwiderhandlungen anzuwenden. Jeder hat
in der Synagoge den Anordnungen des Repräsentanten
respective dessen Stellvertreters sofort Folge zu
leisten. Glaubt Jemand daß ihm hierdurch sein Recht
verkürzt werde, so kann er hierwegen seine Be-
schwerde schriftlich bei dem Vorstande der Synagogen
Gemeinde einbringen. Der Repräsentant respective
dessen Stellvertreter sind verpflichtet jede
vorgekommene Uebertretung dem Vorstande zur Anzeige
zu bringen, damit der Vorstand die Uebertretung bei
der Königlichen Behörde zur Anzeige bringe und der
Uebertretende wegen groben Unfugs oder Störung des
Gottesdienstes bestraft werden kann.
Diese Synagogenordnung tritt sofort nach der am nächsten
Samstag erfolgenden Bekanntmachung in Kraft.
Für die Richtigkeit
Der Vorsitzende des Vorstandes der Synagogen-
Gemeinde
Bürger

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"Gewalt beendet keine Geschichte"
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